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EuGH: Prüfung der DSGVO durch das Bundeskartellamt?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute klargestellt, dass bei der Prüfung, ob eine marktbeherrschende Stellung missbraucht wird, auch ein Verstoß gegen die DSGVO durch eine nationale Wettbewerbsbehörde festgestellt werden kann.

Nutzer zahlen mit ihren persönlichen Daten ihr Konto bei sozialen Netzwerken. Insbesondere wenn diese Daten mit persönlichen Profilen verbunden werden können, kommt diesen eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zu. Die Art des Umgangs dieser Daten kann auch für einen funktionierenden Wettbewerb relevant werden.

Worum geht es?

Hintergrund der Entscheidung ist die Datensammlung von Meta Platforms ehemals Facebook.

Meta sammelt Daten seiner Nutzer sowohl auf Facebook selbst als auch aus Drittquellen im Netz. Dazu gehören auch die Tochterunternehmen von Meta wie Instagram oder WhatsApp sowie sämtliche Webseiten und Apps, die eine Schnittstelle mit Facebook haben, beispielsweise durch den „Gefällt-mir“-Button. Aus diesen Daten erstellt Meta Profile seiner Nutzer. Der Zusammenführung dieser Daten müssen die Nutzer zustimmen, wenn sie Facebook verwenden wollen.

Die Bonner Behörde ist der Ansicht, dass Meta damit seine marktbeherrschende Stellung missbrauche, da der Konzern aufgrund seiner Tochterunternehmen Instagram und WhatsApp sehr hohe Marktanteile habe. Dieser Marktanteil belaufe sich aus Sicht des Bundeskartellamts auf über 95 Prozent bei den täglich aktiven Nutzer.

Daher ordnete die Behörde im Jahr 2019 an, dass der Konzern die Daten, die er in Diensten von Tochterunternehmen wie WhatsApp und Instagram sammelt, nicht mehr ohne weiteres dem Facebook-Konto eines Nutzers zuordnen dürfe. Erforderlich sei dafür eine freiwillige Einwilligung der Nutzer. Dies solle auch für die Zuordnung von Daten gelten, die aus Drittquellen stammen, etwa aus Mess- und Analysetools.

Im Eilverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) argumentierte Meta, dass die Datenzusammenführung für Nutzer „vorteilhaft“ sei und Facebook das Recht habe, seinen „bestmöglichen“ Dienst anzubieten.

Dies sah der Kartellsenat anders und stimmte dem Bundeskartellamt zu. Aus seiner Sicht nutze der Konzern seine Marktstellung missbräuchlich aus und lasse Verbrauchern keine Wahl, da diese lediglich der Zusammenführung zustimmen müssen, wenn sie das Netzwerk nutzen wollen. Eine Entscheidung gegen die Zusammenführung der Daten und eine damit einhergehende Nutzung von Facebook mit weniger personalisierter Werbung sei nicht möglich.

Mit dieser Entscheidung verdeutlichte der BGH zum ersten Mal die wirtschaftliche Bedeutung von Daten auf dem Markt für soziale Netzwerke.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) forderte nur die Klärung der Frage hinsichtlich der Zuständigkeit des Bundeskartellamts zur Prüfung datenschutzrechtlicher Aspekte sowie der Möglichkeit der freiwilligen Einwilligung gegenüber einem marktbeherrschenden Unternehmen und der Rechtfertigung der Zusammenführung der Daten aufgrund „berechtigtes Interesse“.

Zuständigkeit des Bundeskartellamts: Ja!

Die Prüfung der DSGVO durch das Bundeskartellamt soll lediglich dazu dienen, den Missbrauch der beherrschenden Stellung auf dem Markt festzustellen und geeignete wettbewerbsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Dabei dürfen die nationalen Wettbewerbsbehörden nicht von den Entscheidungen der Datenschutzaufsichtsbehörden oder des Gerichtshofs abweichen. Sie können jedoch eigene Schlussfolgerungen unter Berücksichtigung des Wettbewerbsrechts ziehen.

Freiwillige Einwilligung möglich?

Eine marktbeherrschende Stellung schließe nach Ansicht des EuGH für sich genommen nicht aus, dass die Nutzer dieses sozialen Netzwerks keine wirksame Einwilligung in ihre personenbezogene Datenverarbeitung nach der DSGVO erteilen könnten. Dennoch ist eine solche Stellung dazu geeignet, die Wahlfreiheit der Nutzer zu beinträchtigen und könne ein Ungleichgewicht der Beteiligten schaffen. Dieser Aspekt dürfe nicht außen vor gelassen werden bei der Beurteilung der Freiwilligkeit einer Einwilligung im Sinne der DSGVO.

Weiter weist der EuGH darauf hin, dass die von Meta Platforms Ireland durchgeführte Datenverarbeitung sensible Informationen wie Rasse, ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse Überzeugungen oder sexuelle Orientierung betreffen könne. Die Verarbeitung solcher sensiblen Daten sei nach der DSGVO grundsätzlich untersagt. Das OLG müsse daher prüfen, ob die erhobenen Daten tatsächlich solche sensiblen Informationen offenlegen, unabhängig davon, ob sie einen Nutzer des sozialen Netzwerks oder eine andere natürliche Person betreffen. Die bloße Nutzung von Websites oder Apps, die solche Informationen offenbaren könnten, bedeuteten nicht automatisch, dass die betroffene Person ihre Daten öffentlich im Sinne der DSGVO gemacht habe. Es bedarf dahingehend einer expliziten Zustimmung der Person.

Datenzusammenführung aufgrund „berechtigtem Interesse“?

Darüber hinaus stellt der EuGH fest, dass die Personalisierung von Inhalten und Werbung sowie die nahtlose Nutzung der Dienste von Meta Platforms Ireland nicht ausreichend gerechtfertigt seien, um die streitige Praxis der Datenverarbeitung als notwendig anzusehen. Insbesondere die Personalisierung von Werbung könne das „berechtigte Interesse“ von Meta Platforms Ireland nicht rechtfertigen, es sei denn, es liege eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person vor.

Was heißt das in Zukunft?

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs deutlich macht, dass nationale Wettbewerbsbehörden die Einhaltung der DSGVO im Rahmen der Prüfung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung überprüfen können. Die enge Zusammenarbeit mit den Datenschutzaufsichtsbehörden ist dabei unerlässlich, um eine einheitliche Anwendung der Datenschutzbestimmungen sicherzustellen. Das Urteil betont auch, dass die beherrschende Stellung eines Unternehmens die Einwilligung der Nutzer beeinflussen kann und dass die Verarbeitung sensibler Daten besonderer Zustimmung bedarf.

Es bleibt abzuwarten, wie sich dieses Urteil auf die zukünftige Nutzung von Plattformen der Meta Platforms Inc. und die Verarbeitungspraktiken personenbezogener Daten anderer Unternehmen in Bezug auf die DSGVO auswirken kann. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in Bezug auf den Fall Meta Platforms Ireland wird weitere Klarheit bringen und potenzielle Auswirkungen auf den Datenschutz und den Wettbewerb im Online-Bereich haben.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof können Sie hier nachlesen:

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=275125&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=1667832

Bildnachweis für diesen Beitrag © Thomas Reimer stock. adobe. com