Schon heute hat Künstliche Intelligenz (KI) einen hohen Einfluss auf das Arbeitsumfeld. Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren stark beschleunigen. Von der Automatisierung repetitiver Aufgaben bis hin zur Analyse komplexer Daten hat KI das Potenzial, viele Aspekte des Arbeitslebens zu verändern. Doch mit diesen Veränderungen kommen auch Chancen und Herausforderungen im Arbeitsverhältnis gleichermaßen.
Gastbeitrag von Florian Stein, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht und Moritz Janssen, Fachanwalt für Arbeitsrecht unserer Partnerkanzlei Bette Westenberger Brink in Kooperation mit Sarah Tavčer
In Bezug auf Arbeitsverhältnisse entstehen zahlreiche neue Fragestellungen, welche bislang weder vom Gesetzgeber noch von den Gerichten behandelt wurden. Darf ich als Arbeitnehmender beispielsweise unabgesprochen KI benutzen, um meine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen?
Was sagt Künstliche Intelligenz selbst zu der Frage:
„Ja, grundsätzlich kann ein Arbeitnehmer zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht künstliche Intelligenz (KI) nutzen, sofern dies nicht durch den Arbeitsvertrag oder geltende Gesetze eingeschränkt ist. Die Verwendung von KI zur Unterstützung bei der Arbeit ist in vielen Branchen bereits weit verbreitet und kann die Effizienz und Produktivität des Arbeitnehmers erhöhen.
Es gibt jedoch einige wichtige Aspekte zu beachten:
- Arbeitsvertragliche Vereinbarungen: Es ist wichtig, dass der Arbeitsvertrag keine Klauseln enthält, die die Verwendung von KI oder anderen Technologien einschränken. In einigen Fällen können Arbeitsverträge spezifische Anforderungen oder Einschränkungen bezüglich der Arbeitsmittel oder -methoden enthalten.
- Datenschutz und Sicherheit: Bei der Nutzung von KI am Arbeitsplatz ist es entscheidend, die geltenden Datenschutzbestimmungen einzuhalten und sicherzustellen, dass sensible Daten ordnungsgemäß geschützt werden. Dies betrifft insbesondere den Umgang mit personenbezogenen Daten, die möglicherweise von KI-Systemen verarbeitet werden.
- Qualitätssicherung und Verantwortung: Der Arbeitnehmer bleibt letztendlich für die Qualität seiner Arbeitsergebnisse verantwortlich, auch wenn KI-Systeme verwendet werden. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die KI korrekt konfiguriert ist und die richtigen Ergebnisse liefert. Der Arbeitnehmer sollte auch in der Lage sein, die Ergebnisse der KI zu interpretieren und gegebenenfalls manuelle Korrekturen vorzunehmen.
- Weiterbildung und Kompetenzen: Die Nutzung von KI erfordert oft spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten. Arbeitnehmer sollten die Möglichkeit haben, sich in der Verwendung von KI-Technologien fortzubilden, um ihre beruflichen Fähigkeiten zu verbessern und sicherzustellen, dass sie die Technologie effektiv nutzen können.
Insgesamt kann die Nutzung von KI zur Erfüllung arbeitsvertraglicher Hauptleistungspflichten viele Vorteile bieten, wenn sie richtig eingesetzt wird. Es ist jedoch wichtig, sicherzustellen, dass alle relevanten rechtlichen, ethischen und praktischen Aspekte berücksichtigt werden.“
Generiert von ChatGPT
Habe ich durch die Nutzung von ChatGPT meine arbeitsvertragliche Pflicht, Erbringung von Arbeitsleistung durch Anfertigung eines Blogbeitrages, erfüllt oder habe ich eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt?
Diese Frage wird relevant, wenn weder eine explizite Erlaubnis des Arbeitgebers noch ein entsprechendes Verbot vorliegt. Ein solches Verbot kann der Arbeitgeber bereits unter Berufung auf sein Direktionsrecht aus § 106 GewO aussprechen. Ein Verstoß gegen dieses stellt dann ein mindestens abmahnungswürdiges Verhalten dar. Die Erlaubnis kann jedoch auch durch ein schlüssiges Verhalten erfolgen, beispielsweise durch die Bereitstellung der entsprechenden Software.
Wichtig zu erwähnen ist, dass auch bei erlaubten KI-Tools im Unternehmen der Schutz personenbezogener Daten und der Schutz von Geschäftsgeheimnissen bei der Nutzung beachtet werden.
Was geschieht jedoch, wenn, wie wahrscheinlich derzeit am häufigsten anzunehmen ist, keine spezifische Regelung zur Nutzung von KI im Arbeitsverhältnis existiert?
Höchstpersönlichkeit gem. § 613 BGB
Ein potenzielles Problem könnte die gesetzlich geregelte Höchstpersönlichkeit der Leistung darstellen. Gemäß § 613 BGB müssen Arbeitnehmende die Arbeitsleistung selbst erbringen. Es ist ihm untersagt, seine Arbeit eigenmächtig an eine andere Person zu übertragen. Fraglich ist, ob dieses Verbot auch den Einsatz von KI einschließt. Wo genau liegt die Grenze zwischen einer persönlich erbrachten Leistung und einer Leistung unter Zuhilfenahme technischer Unterstützung?
Da es keine einschlägige Rechtsprechung oder Rechtsnormen gibt, wird die Beantwortung dieser Frage an manchen Stellen sehr theoretisch wirken, dennoch ist es aus unserer Sicht wichtig, die Problematik zu skizzieren, um ein Bewusstsein für mögliche negative Auswirkungen zu schaffen und eine vorausschauende Planung zu ermöglichen.
Wo genau liegt die Grenze zwischen einer persönlich erbrachten Leistung und einer Leistung unter Zuhilfenahme technischer Unterstützung?
Der Gesetzgeber des frühen 20. Jahrhunderts schloss die Möglichkeit einer Künstlichen Intelligenz wahrscheinlich nicht aus, aber sie war ihm vermutlich auch nicht bewusst.
Wenn Arbeitnehmende die Aufgabe auf eine KI übertragen, könnte diese im Ergebnis vollständig von der KI erbracht werden. In diesem Fall reduziert sich die Arbeitsleistung der Arbeitnehmenden darauf, die Aufgabenstellung in die KI-Anwendung einzugeben und das von der KI erzeugte Ergebnis zu überprüfen. In diesem Fall könnte einiges dafür sprechen, dass der Einsatz von KI der Übertragung auf eine andere Person gleichsteht.
Es kann jedoch anders aussehen, wenn die Arbeitnehmenden nach wie vor den Hauptteil der Aufgaben erledigen und sich nur bei kleineren Teilaufgaben von einer KI unterstützen lassen. Die genaue Abgrenzung im Einzelfall wird schwierig sein, daher sind klare Regeln für den Einsatz von KI durch Arbeitnehmende hilfreich und in Zukunft unerlässlich.
Es bleibt abzuwarten, wie diese Frage in Zukunft vom Gesetzgeber und der Rechtsprechung beantwortet werden wird.
Exkurs
Einführung von KI ins Unternehmen aus datenschutzrechtlicher Sicht
Einführung von KI ins Unternehmen aus datenschutzrechtlicher Sicht
Neben den arbeitsrechtlichen Aspekten, die bei der Einführung von KI ins Unternehmenzu beachten sind, gibt es zahlreiche datenschutzrechtliche Aspekte.
Einen kurzen Überblick gibt dieser Blogbeitrag.
Betroffene (Neben-)Pflichten § 241 II BGB
Unabhängig von der Zulässigkeit der Übertragung höchstpersönlicher Leistungen stellt sich die Frage, ob die Arbeitnehmenden im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen (Neben-)Pflichten dazu verpflichtet sind, dem Arbeitgeber offenzulegen, ob und in welchem Umfang das Arbeitsergebnis mithilfe von KI erzielt wurde.
Im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB sind die Beschäftigten dazu angehalten, die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Selbstverständlich gilt dies auch umgekehrt. Diese Nebenpflichten dienen dazu, die Erbringung der Hauptleistung vorzubereiten und zu fördern. Sie sollen die Leistungsfähigkeit aufrechterhalten, den Leistungserfolg sichern und den Vertragspartner vor möglichen Schäden schützen. In manchen Fällen kann die Nutzung von KI-Anwendungen durch Beschäftigten für den Arbeitgeber erhebliche rechtliche Konsequenzen haben. Dies gilt beispielsweise im Hinblick auf das Urheberrecht oder den Datenschutz. Daher ergibt sich aus § 241 Abs. 2 BGB eine Pflicht für die Beschäftigten, die Arbeitgeber über die Art und den Umfang der Nutzung von ChatGPT bei der Erfüllung der Arbeitsaufgaben zu informieren. Bei einer Verletzung drohen den Arbeitnehmenden arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Betriebsverfassungsrechtliche Aspekte
Wenn ein Arbeitgeber KI-Anwendungen im Arbeitskontext einführen möchte, muss er die einschlägigen Beteiligungsrechte des Betriebsrates gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG beachten. Danach hat er ausdrücklich bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen, einschließlich des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu informieren. Ein direktes Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG des Betriebsrates besteht aber nicht, soweit Beschäftigte zur Nutzung von KI-Tools angewiesen werden, dies aber lediglich das Arbeitsverhalten betrifft.
Jedoch sollte beachtet werden, dass die Nutzung von KI-Anwendungen oft auch die Speicherung und Verarbeitung von Beschäftigtendaten mit sich bringt. In diesem Fall kann das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG relevant sein, insbesondere wenn der Arbeitgeber Zugriff auf diese Daten hat und diese Rückschlüsse auf die Leistung oder das Verhalten der Mitarbeiter zulassen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Installation von Software, die automatisch Informationen über die Nutzung von KI-Anwendungen speichert, bereits das Mitbestimmungsrecht auslösen kann. Diese Maßnahmen sollten daher im Vorfeld mit dem Betriebsrat abgestimmt werden, um mögliche Konflikte zu vermeiden.
In einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg (AZ 24 BVGa 1/24) wurde festgestellt, dass die Regeln für den Einsatz von KI über private Mitarbeiterkonten nicht der Mitbestimmung unterliegen, ähnlich einem persönlichen Zugang zu beck-online (einem Online-Recherchetool für Juristen), bei dem der Arbeitgeber keinen Zugriff auf Beschäftigtendaten hat. In einem konkreten Fall beantragte ein Betriebsrat erfolglos das Verbot des Einsatzes von ChatGPT und ähnlichen KI-Systemen durch einen Arbeitgeber. Das Gericht entschied, dass die Vorgaben für die Nutzung solcher Tools das Arbeitsverhalten betreffen und daher kein Mitbestimmungsrecht besteht. Ferner besteht kein Mitbestimmungsrecht bezüglich der Verarbeitung personenbezogener Daten, wenn der Arbeitgeber keinen Zugriff auf diese Daten hat. Gleichzeitig darf keine konkrete Gefährdung der Beschäftigten durch den KI-Einsatz vorliegen.
Fazit
Im Hinblick auf die noch nicht geklärten Rechtsfragen bezüglich des Einsatzes von KI im Arbeitsverhältnis ist es jedem Arbeitgeber zu empfehlen, frühzeitig den Einsatz von KI im Arbeitsverhältnis ausdrücklich und klar zu regeln. Dies sollte in Zusammenarbeit mit den Personalvertreterorganen geschehen. Eine transparente und rechtssichere Regelung kann dazu beitragen, potenzielle rechtliche Unsicherheiten zu minimieren und ein konstruktives Arbeitsumfeld zu schaffen. So kann den Interessen sowohl der Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmenden Rechnung getragen werden. Durch die Einbindung von Personalvertreterorganen können mögliche Bedenken und Anliegen der Arbeitnehmer frühzeitig berücksichtigt und geeignete Lösungen gefunden werden. So kann die Akzeptanz und Integration von KI-Technologien im Arbeitsalltag gefördert werden.
Bildnachweis: KI generiert