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Datenverarbeitung im berechtigten Interesse eines Dritten

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bietet verschiedene Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten. Eine davon ist das berechtigte Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO. Während häufig das berechtigte Interesse des Verantwortlichen im Fokus steht, wird das berechtigte Interesse eines Dritten oft übersehen. Dieses kann jedoch auch als Grundlage einer Datenverarbeitung herangezogen werden.

Was ist ein berechtigtes Interesse?

Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn der Verantwortliche oder ein Dritter ein legitimes Interesse an der Datenverarbeitung hat. Dieses Interesse muss rechtlich anerkannt und schutzwürdig sein. Beispiele für berechtigte Interessen können wirtschaftliche, rechtliche oder auch gesellschaftliche Interessen sein.

Voraussetzungen für die Datenverarbeitung im berechtigten Interesse eines Dritten

Damit eine Datenverarbeitung auf das berechtigte Interesse eines Dritten gestützt werden kann, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Berechtigtes Interesse des Dritten: Der Dritte muss ein legitimes Interesse an der Datenverarbeitung haben. Dieses Interesse muss konkret und nachvollziehbar sein.
  2. Erforderlichkeit der Verarbeitung: Die Datenverarbeitung muss zur Wahrung des berechtigten Interesses des Dritten erforderlich sein. Es darf keine weniger eingreifende Möglichkeit geben, das Interesse zu wahren.
  3. Abwägung der Interessen: Die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person dürfen nicht überwiegen. Hierbei ist eine sorgfältige Abwägung erforderlich, bei der die Schwere des Eingriffs und die Schutzbedürftigkeit der betroffenen Person berücksichtigt werden müssen.

Besonderheiten bei der Abwägung der Interessen

Die Abwägung der Interessen ist ein zentraler Bestandteil der Prüfung, ob eine Datenverarbeitung im berechtigten Interesse eines Dritten zulässig ist. Dabei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • Art der Daten: Sensible Daten, wie Gesundheitsdaten, erfordern eine strengere Abwägung.
  • Erwartungen der betroffenen Person: Hat die betroffene Person mit der Datenverarbeitung gerechnet oder wäre sie überrascht?
  • Auswirkungen auf die betroffene Person: Welche Folgen hat die Datenverarbeitung für die betroffenen Personen? Sind diese erheblich oder eher geringfügig?

Kein berechtigtes Interesse (eines Dritten)?

Sie sollten nicht oder nur ergänzend auf das berechtigte Interesse zurückgreifen, wenn Sie zu der betroffenen Person bereits eine Vertragsbeziehung aufrechterhalten oder einer rechtlichen Pflicht unterliegen, für welche die Datenverarbeitung erforderlich ist. Denn die betroffene Person kann ggf. Widerspruch gegen die Datenverarbeitung erheben, welchen Sie dann gesondert prüfen müssen.

Wenn Sie überlegen, ob Sie das berechtigtes Interesse des Dritten als Alternative zur Einwilligung des Dritten nutzen sollten, müssen Sie bei der Einwilligung verbleiben. Durch die Formulierung „Dritter“ wird deutlich, dass ein Verantwortlicher gerade nicht das berechtigte Interesse des Betroffenen selbst mutmaßen darf.

Sie können jedoch unter Umständen ein eigenes berechtigtes Interesse oder das eines tatschlichen „Dritten“ anstelle der Einwilligung verwenden. Es gibt keinen rechtlichen Grundsatz, dass man eine Einwilligung vorrangig einholen muss. Nur in bestimmten Konstellationen ist es erforderlich, dass eine Einwilligung immer erfolgen muss (etwa beim Setzen nicht technisch erforderlicher Cookies durch eine Website). Dieses Vorgehen kann vorteilhaft sein, wenn man die Möglichkeit des Widerrufs der Einwilligung verhindern möchte.

Rechtlicher Vertiefungshinweis

Teilweise bestritten, aber nach zutreffender (und herrschender) Ansicht zulässig ist auch die Kombination von Rechtsgrundlagen, wie der Einwilligung und dem berechtigten Interesse. Vor dem Grundsatz der Transparenz ist es jedoch erforderlich, dass Sie hierüber bereits bei Einholen der Einwilligung informieren! Der Betroffene wird sonst in die Irre geführt, wenn er davon ausgeht, er könnte die Datenverarbeitung durch seine Einwilligung widerrufen.

Praxisbeispiele

Ein praktisches Beispiel für die Datenverarbeitung im berechtigten Interesse eines Dritten könnte die Weitergabe von Daten an einen Inkassodienstleister sein, um offene Forderungen einzutreiben. Hier hat der Inkassodienstleister ein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung der Daten, um seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Der Vertrag selbst kann jedoch nicht Rechtsgrundlage sein, da der betroffene Dritte nicht Partei des Vertrages ist.

Ein anderes Beispiel ist nach der Rechtsprechung die Übermittlung von Beschäftigtendaten an eine Ordnungsbehörde zur Verfolgung eines Bußgeldes. Nach Auffassung des OVG Rheinland-Pfalz ist eine solche Datenübermittlung nicht nur im eigenen Interesse möglich, sondern auch im Interesse der Behörde als Dritten, die ein legitimes Interesse an der Datenverarbeitung zur Bearbeitung des Sachverhalts hat. Dem steht in diesem konkretem Fall auch nicht entgegen, dass sich die Behörde selbst nicht auf ein berechtigtes Interesse hätte berufen können. Denn in Ausübung ihrer Aufgaben als Behörde wäre ihr die Rechtsgrundlage des berechtigten Interesses verwehrt.

Rechtlicher Vertiefungshinweis

OVG RLP, 20.06.2023, 7 B 10360/23: das OVG hat herbei dahinstehen lassen, ob in dem zu entscheidenden Fall die DSGVO überhaupt Anwendung finden konnte.

Fazit

Die Datenverarbeitung im berechtigten Interesse eines Dritten ist ein Thema, das eine sorgfältige Prüfung und Abwägung erfordert. Obwohl diese Rechtsgrundlage in der Praxis seltener beachtet wird, bietet sie dennoch wichtige Möglichkeiten für die Datenverarbeitung, insbesondere in rechtlichen und wirtschaftlichen Kontexten. Verantwortliche sollten daher die Voraussetzungen und Besonderheiten dieser Rechtsgrundlage genau kennen und anwenden, um datenschutzkonform zu handeln.

Bildnachweis: KI generiert

AUTOR

Moritz Kolb ist als externer Datenschutzbeauftragter und Datenschutzberater bei der RMPrivacy GmbH für Unternehmen und öffentliche Stellen tätig. Darüber hinaus hat er als Rechtsanwalt und Rettungssanitäter besonderes Interesse für Rechtsfragen an den Schnittstellen zwischen Datenschutzrecht und Medizinrecht sowie Datenschutzrecht und Vereinsrecht.