Olympischer Rekord in Überwachung: Paris 2024 setzt neue Standards
Die Olympischen Spiele in Paris 2024 sind nicht nur ein athletisches, sondern auch ein Großprojekt im Datenschutz. Während die Welt auf sportliche Höchstleistungen gespannt ist, steht hinter den Kulissen ein enormer Sicherheitsapparat, der durch den Einsatz modernster Überwachungstechnologien für Schlagzeilen sorgt. Der Balanceakt zwischen Sicherheit und Datenschutz ist für die Organisatoren eine olympische Disziplin für sich.
40.000 Barrieren wurden in der Stadt errichtet, und täglich patrouillieren zwischen 30.000 und 45.000 Polizeibeamte. Dazu kommen rund 20.000 Mitarbeitende privater Sicherheitsdienste. Die angespannte innenpolitische Lage in Frankreich und die Erinnerungen an frühere terroristische Anschläge verstärken die Notwendigkeit dieser Maßnahmen.
Der Chef des olympischen Organisationskomitees, Tony Estanguet, versprach, Paris während der Spiele zum sichersten Ort der Welt zu machen. Dies bedeutet jedoch nicht nur eine erhöhte Polizeipräsenz, sondern auch den massiven Einsatz von Überwachungstechnologien. Die französische Regierung hat die höchste Warnstufe ausgerufen und setzt auf beispiellose Sicherheitsvorkehrungen, um mögliche Bedrohungen abzuwehren.
Der neue rechtliche Rahmen
Am 19. Mai 2023 verabschiedete der französische Gesetzgeber das Gesetz Nr. 2023-380, das spezifische Sicherheitsmaßnahmen für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 festlegt und den Schutz personenbezogener Daten gewährleistet. Eine der bemerkenswertesten Neuerungen ist die bis Mai 2025 befristete Befugnis der Sicherheitsbehörden, KI-unterstützte Videoüberwachung einzusetzen.
Diese Systeme ermöglichen es, riesige Mengen an Videomaterial in Echtzeit zu analysieren und sollen so verdächtiges Verhalten Gefahren, wie etwa Massenpaniken, das Vorhandensein von Waffen oder zurückgelassene Gegenstände frühzeitig erkennen. Der Einsatz ist ausschließlich zur Sicherheit von Großveranstaltungen und in deren Umgebung sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln gestattet.
Für Veranstaltungen mit mehr als 300 Personen sieht das Gesetz spezielle Zugangskontrollen vor. Dazu gehören die Überprüfung von Ausweisen und QR-Codes sowie der Einsatz von Körperscannern, wie man sie von Flughäfen kennt. Diese Maßnahmen sind jedoch nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen erlaubt. Eine Speicherung der Daten erfolgt nicht.
Datenschutzmaßnahmen und CNIL-Kontrollen
Die französische Datenschutzbehörde CNIL betont, dass auch bei diesen Maßnahmen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie das französische Datenschutzgesetz von 1978 eingehalten werden müssen. Die Öffentlichkeit muss im Voraus über den Einsatz der algorithmischen Bildverarbeitung informiert werden, außer in Fällen, in denen dies den Sicherheitszielen widerspricht.
Die erfassten Daten dürfen nicht für biometrische Identifikationen verwendet werden und müssen spätestens ein Jahr nach ihrer Erhebung gelöscht werden. Die CNIL überwacht die Einhaltung dieser Regeln und wird bei Verstößen gegen die Datenschutzvorschriften entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Ein Widerspruch gegen den Einsatz der intelligenten Überwachungskameras ist laut CNIL nicht möglich, da dies die Erreichung der Sicherheitsziele gefährden würde. Allerdings stehen den Betroffenen Rechte auf Zugang, Löschung und Berichtigung ihrer Daten zu, die unter bestimmten Bedingungen verweigert werden können. Beschwerden können bei der CNIL eingereicht werden.
Kontroversen und Kritik
Die Einführung dieser Sicherheitsmaßnahmen und der Einsatz neuer Technologien sind nicht unumstritten. Kritiker warnen davor, dass die Olympischen Spiele nur ein Vorwand sein könnten, um die Überwachung der Bevölkerung dauerhaft auszudehnen. Dies wäre nicht das erste Mal, dass Sicherheitsmaßnahmen, die für Großveranstaltungen eingeführt wurden, nach deren Ende bestehen bleiben.
Die Olympischen Spiele gelten häufig als die weltweit größte Sicherheitsoperation außerhalb von Kriegen. Dieser Trend begann mit dem Münchner Olympia-Attentat 1972, verstärkte sich durch den Bombenanschlag bei den Spielen in Atlanta 1996 und erreichte mit den Anschlägen in New York 2001 einen Höhepunkt. Seitdem sind die Sicherheitsbudgets der Spiele exponentiell gestiegen und die Veranstaltungen wurden regelrecht durch den Einsatz hochentwickelter Überwachungstechnologien geprägt. In Tokio 2020 wurde erstmals automatisierte Gesichtserkennung in den Stadien eingesetzt und bei den Winterspielen in Peking 2022 mussten alle Teilnehmenden eine Smartphone-App installieren, um Gesundheitsdaten an die Behörden zu übermitteln. Offiziell diente dies der Pandemiebekämpfung, der Quellcode der App ließ aber auch weiterreichende Nutzungen vermuten.
Der Einsatz intelligenter Überwachungskameras und die algorithmische Verarbeitung von Videomaterial werfen Fragen zur Effektivität und Ethik auf. Kann KI-gestützte Überwachung tatsächlich Terroranschläge verhindern? Beispielsweise bezweifeln viele, dass eine solche Technologie den Anschlag in Nizza 2016 hätte verhindern können. Der gesamte Anschlag dauerte nur fünf Minuten, was eine rechtzeitige Reaktion unwahrscheinlich macht.
Fazit
Die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen und technologischen Innovationen könnten zur Sicherheit der Olympischen Spiele beitragen. Doch es bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahmen tatsächlich die gewünschte Sicherheit bieten und ob der Eingriff in die Privatsphäre verhältnismäßig ist. Die Nachbereitung der Spiele wird zeigen, ob die Sicherheitsmaßnahmen den erhofften Erfolg gebracht haben oder ob sie eher als Vorwand für eine dauerhafte Ausweitung der Überwachung dienten.
Die Diskussion um die Balance zwischen Sicherheit und Datenschutz wird jedenfalls weitergehen. Die Olympischen Spiele in Paris könnten dabei einen Präzedenzfall schaffen, der weit über die Spiele hinaus Auswirkungen auf die Sicherheits- und Überwachungspraktiken in Frankreich und Europa hat.
Die Frage bleibt: Wie viel Überwachung ist notwendig, um Sicherheit zu gewährleisten und wann wird die Grenze zur Verletzung der Privatsphäre überschritten?
Bildnachweis: KI generiert
Christoph Möx ist ein erfahrener Rechtsanwalt im Bereich IT-Recht und Datenschutz bei der renommierten Kanzlei Bette Westenberger Brink in Erfurt. Mit Fachwissen und praktischer Erfahrung berät er Unternehmen in allen Fragen des Datenschutzes und der IT-Compliance. Darüber hinaus arbeitet Christoph Möx als Datenschutzberater bei der RMPrivacy GmbH und unterstützt Mandanten dabei, datenschutzrechtliche Anforderungen effizient und rechtskonform umzusetzen.