Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Urteil von 08.04.2024 einem Bewerber Schadensersatz in Höhe von 5.000 € wegen einer verspäteten Auskunft nach der DSGVO zugesprochen. Während wir uns zunehmend an strengere Gerichte gewöhnt haben, ist diese Entscheidung dennoch ein Ausreißer – und schlichtweg falsch. Warum die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht nur datenschutzrechtlich nicht überzeugt:
Was hat das Arbeitsgericht entschieden?
Es ist schon lange keine Seltenheit mehr, dass der Datenschutz im arbeitsgerichtlichen Verfahren instrumentalisiert wird. Selten dürfte diese Taktik jedoch so erfolgreich gewesen sein wie in diesem geschilderten Fall vor dem Arbeitsgericht Mainz. Der Kläger hat sich bei der Beklagten beworben, blieb jedoch ohne Erfolg. Daraufhin bat er die Beklagte um Offenlegung der Gründe. Er stellte zugleich eine Auskunftsanfrage auf Grundlage von Art. 15 DSGVO und verlangte eine vollständige Datenkopie. Die Beklagte erteilte die Auskunft jedoch nicht, sondern übersandte dem Kläger nur allgemeine Datenschutz-hinweise. Der Kläger erhob daraufhin Klage auf Auskunftserteilung, Bereitstellung einer umfassenden Kopie, der über ihn verarbeiteten Daten sowie Schadensersatz in Höhe von mindestens 5.000 €. Nach Erhebung der Klage erteilte die Beklagte ordnungsgemäß Auskunft und übermittelte dann auch eine Kopie der Daten. Zwischen den Parteien war daraufhin nur noch der Schadensersatzanspruch streitig.
Das Arbeitsgericht folgte der Argumentation des Klägers umfassend und sprach dem Kläger einen Anspruch von genau 5.000 € zu (ArbG Mainz Urt. v. 8.4.2024 – 8 Ca 1474/23, BeckRS 2024, 11804).
Wo liegt das Arbeitsgericht richtig?
Richtig liegt das Arbeitsgericht damit, dass eine verspätete Auskunftserteilung tatsächlich eine Pflicht zum Schadensersatz nach sich ziehen kann. Dies ist zwar nach wie vor umstritten, aber auch andere Gerichte haben bereits in der Vergangenheit Schadensersatzansprüche wegen verspäteter Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO bejaht. Nach unserer Fassung ist dies auch zutreffend – sofern ein Schaden tatsächlich dargelegt und bewiesen werden kann.
Vertiefener Hinweis
So etwa urteilte das Arbeitsgericht Oldenburg, Teilurteil vom 09. Februar 2023 – 3 Ca 150/21; anders womöglich angedeutet das BAG (05.05.2022 – 2 AZR 363/21).
Wo irrt das Arbeitsgericht?
Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Begründung des Arbeitsgerichts zur Höhe des Schadensersatzes. Das Arbeitsgericht selbst stellt fest, dass dem Kläger nur ein „schwindend geringer Schaden“ entstanden sei. Es führt sodann aus, es käme jedoch gar nicht auf den Schaden an, der dem Kläger entstanden sei. Vielmehr bemessen sich der Schadensersatzanspruch danach, ab welcher Höhe er einen entsprechenden „Leidensdruck“ beim Beklagten auslösen würde.
Diese Rechtsauffassung ist weder mit der Rechtsprechung des EuGH noch dem Gesetz an sich in Einklang zu bringen.
Vertiefender Hinweis
Vergleiche statt vieler die Urteile des EuGH C-687/21 und C-667/21.
Wozu dient der Schadensersatz eigentlich?
Sowohl im Unionsrecht als auch im deutschen Recht findet die Bemessung eines ersatzfähigen Schadens anhand des tatsächlichen entstandenen Schadens statt. Zwar muss dies kein materieller Schaden sein. Denkbar ist auch ein Schmerzensgeld für sogenannte „immaterielle Schäden“, etwa für seelisches Leiden. Anders als im anglo-amerikanischen Recht verbreitet, gibt es allerdings gerade keine sogenannten „punitive damages“. Der Schadensersatzanspruch dient nämlich nicht dazu, jemanden zu bestrafen. Es geht allein darum, einen interessengerechten finanziellen Ausgleich zwischen den Parteien zu erreichen. Darüber hinaus soll zumindest nach deutscher Vorstellung, Schadensersatz gerade nicht dazu dienen, den Geschädigten zu bereichern. Man stelle sich vor, man müsste im Straßenverkehr einem Unfallgegner ein paar Tausend Euro zusätzlich bezahlen, einfach als Strafe, weil man den Unfall verschuldet hat.
Diese Grundprinzipien des Schadensrechts wurden durch das Arbeitsgericht Mainz in seiner Entscheidung auf den Kopf gestellt. Nicht nachvollziehbar ist, dass sich das Arbeitsgericht zur Begründung seiner Entscheidung zunächst auf Art. 83 DSGVO beruft, eine Vorschrift bei der es gerade nicht um Schadensersatzansprüche, sondern um behördliche Geldbußen geht. Dass diese Geldbußen einen abschreckenden Charakter haben sollen, ist nicht überraschend. Das hat allerdings mit einem finanziellen Ausgleich für einen entstandenen Schaden nichts zu tun.
Dies erkennt das Arbeitsgericht Mainz auch selbst: Mit einem bestenfalls kuriosen rechtlichen Spagat und bewaffnet mit einem Zitat aus der Schrift „Der Kampf ums Recht“ von Rudolf von Jhering aus dem Jahre 1872 erklärt es, dies müsse auch für den Schadensersatz nach der DSGVO gelten. Dies sei so, da auch ein Zivilprozess, der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung diene (was unbestritten sein dürfte). Die Wertung des Art. 83 DSGVO sei daher entsprechend auch für Schadensersatzansprüche anzuwenden.
Wie geht es jetzt weiter?
Die kreative Argumentation und auch die rechtsphilosophischen und rechtshistorischen Kenntnisse der Kammer sind bewundernswert. Rechtlich darf man die Entscheidung jedoch wohl als Blindgänger ansehen. Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung rechtskräftig ist oder in die nächste Instanz geht. Das Landesarbeitsgericht Mainz dürfte den Kollegen und Kolleginnen hier vermutlich deutlich widersprechen: Erst vor vier Monaten haben diese einen solchen Schadensersatzanspruch sogar vollständig abgelehnt (LAG Mainz, Urt. v. 08.02.2024 – Az.: 5 Sa 154/23).
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts dürfte jedoch Wasser auf die Mühlen derer sein, die diese Rechte aus der DSGVO vor allem als „Geldmacherei“ ansehen – ein Ergebnis, welches auch Rudolf von Jhering sicher nicht geschmeckt hätte.
Vertiefender Hinweis
Falls Sie nochmal nachlesen möchten, wie man auf Auskunftsanfragen richtig reagiert und was man beachten sollte, können Sie das hier tun.
Bildnachweis: KI generiert